Autor und Regisseur Friedemann Fromm hat herausragende Werke für das Fernsehen geschaffen. Als Beispiele seien genannt die ersten beiden Filme der ZDF-Erfolgsreihe 'Unter Verdacht', 'Die Wölfe' (mit dem Emmy ausgezeichneter Dreiteiler) und 'Weiss ensee', die zu Recht vielfach prämierte Serie über eine zerrissene DDR-Familie. Wenn so ein Mann auf die ZDF-Redaktion mit dem Wunsch zukommt, einen politischen Thriller mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle erzählen zu wollen, freut man sich als Redakteur - auch oder gerade wenn das Thema 'psychische Folgen des Balkan-Krieges' heikel erscheint. ![]() ![]() ![]() Noch dazu kam das Angebot von der Produzentin Cornelia Wecker, mit der wir viele Jahre beste Erfahrungen bei der 'Bella Block' -Reihe gemacht haben und die mittlerweile von dem umsichtigen 'Why not'-Produzenten Oliver Behrmann für die Aspekt Telefilm engagiert wurde - der Produktionsfirma, mit der wir seit einigen Jahren beste Erfahrungen bei der 'Spreewaldkrimi' -Reihe machen und die demnach mit Dreharbeiten auf schwierigem Terrain - seien es die Kähne auf den Fließen oder ein Segelboot auf der rauen Nordsee - vertraut ist. Also Qualifikationen über Qualifikationen, die natürlich noch keine Vorschusslorbeeren bedeuten. Aber die substanzielle Geschichte und das Drehbuch haben dann genauso überzeugt, wie die Wahl des Drehortes Wilhelmshaven und die Casting-Vorschläge rund um Jan Josef Liefers - der beim ZDF als Kommissar ermitteln darf, weil sein Dr. Boerne ja im 'Tatort' als Pathologe auftritt. So hat Friedemann Fromm einen psychologisch spannenden und intensiven Politkrimi geschrieben und inszeniert, bei dem vor norddeutscher Kulisse der Kosovo-Krieg hochkommt und beängstigend nahekommt. In diesem Drama um Schuld und Sühne enthüllt sich in einem scheinbar geordneten Leben ein schreckliches Familiengeheimnis. Jan Josef Liefers kann hier als in der Seele verwundeter Kommissar Holzer seine andere, seine berührende Seite zeigen. Seine Ernsthaftigkeit und Melancholie sind ein Spiegel dieser unheimlichen Geschichte. Mit der seit 'Jenseits der Stille' (!) berühmten Französin Sylvie Testud, mit Peter Lohmeyer, Peter Franke und Ivan Anderson hat er besondere Schauspieler-Partner. Die gefühlvolle Musik von Edward Harris gibt der 'Mörderischen Stille' (!) einen zusätzlichen, traurigen Klang, der nachhallt. Der trotz des Titels eher unspektakuläre, ruhige Film wurde zum Filmfest Hamburg, zum Biberacher Filmfestival und zu den Nordischen Filmtagen Lübeck eingeladen. Pit Rampelt, Redaktion Fernsehfilm I Stab und Besetzung. In der Bucht von Wilhelmshaven taucht eine Wasserleiche vor dem Segelboot von Michael Kühnert, dem Leiter der Segelschule, auf: E in ehemaliger Offizier der niederlän dischen KFOR-Truppen im Kosovo, ist erstochen worden. Jan Holzer, Kriminalhauptkommissar in der Mordkommission, erfährt die Identität des Mannes von einer Gruppe gehörloser Segler. Kühnert kann 'übersetzen', da seine Frau Elena auch gehörlos ist und er die Gebärdensprache beherrscht. Jan Holzer ist fasziniert von der 'stummen Kommunikation' und freundet sich mit der Familie an, zu der noch die 18-jährige Tochter Sabin gehört, die sich auch ausschließlich in der Gebärdensprache verständigt. Obwohl Kühnert offen zugibt, dass er früher als KSK-Soldat im Kosovo war, Elena dort kennengelernt hat, beide aber den Toten nicht kennen würden, ist Jan Holzer sicher, dass Elena und Kühnert ihm etwas verschweigen. ![]() An der Nordseeküste wird ein Toter gefunden. Den ermittelnden Kommissar beschäftigt das mehr als andere Fälle. Ans Licht kommt auch eine Familientragödi. Immer tiefer dringt Holzer in das Familiengeheimnis der Kühnerts vor und ist dabei, sich darin zu verlieren, zumal er momentan selbst wegen einer alten Schuld schwer angeschlagen ist. Holzers Assistentin Amal Catack, halb Türkin, halb Deutsche, in Berlin aufgewachsen, ermittelt parallel in der obskuren Welt der privaten Sicherheitsfirmen und findet unter anderem heraus, dass der Ermordete vor zehn Jahren ein Disziplinarverfahren in der Armee hatte - wegen Menschenhandel und Vergewaltigung während seines Dienstes bei der KFOR - und findet in seinem Cloud-Account ein Video. Als sie mit dem MEK zum Hafen kommt, ist Jan Holzer entführt auf einem Segelboot mitten auf offener See und erfährt die unvorstellbare Wahrheit. Interview mit Friedemann Fromm. Eine Wasserleiche, die auf die Spuren von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien führt - wie entstand die Idee zu 'Mörderische Stille'? Ich habe beim Segeln einen ehemaligen KSK-Soldaten kennen gelernt, und während langer Nachtwachen hat er mir einen Ein-blick in die Welt gegeben, in der er sich als aktiver Elitesoldat bewegt hat. Seine Aufgabe war es, serbische Kriegsverbrecher der europäischen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Das war der Anfang, dann folgten lange Recherchen, und Stück für Stück wuchs die Geschichte. Das Meer unterliegt Schwankungen durch Ebbe und Flut – hat sich das auf den Dreh ausgewirkt? Sind die Bedingungen dafür in Wilhelmshaven günstig? Wir haben unsere Drehzeiten auf dem Wasser und im Hafen so-wohl auf die Gezeiten als auch auf die Windverhältnisse abge-stimmt. Das war nicht immer einfach, aber wir hatten großes Glück mit dem Wetter und großartige Beratung durch die orts-kundigen Segler. Was unterscheidet einen Dreh in Wilhelmshaven von einem häufig genutzten Drehort wie Hamburg, Berlin oder Köln? Die Offenheit der Menschen und ihre uneigennützige Unter-stützung in allen Bereichen. Und natürlich die ungewöhnlichen Motive und die besondere Stimmung, die man nicht in einer Großstadt findet. Warum fiel die Wahl für die Besetzung auf Sylvie Testud? Mir war schon beim Schreiben klar, dass Sylvie für diese Rolle die ideale Besetzung sein würde. Sie hat diese besondere Energie und Ausstrahlung, die keine Worte braucht. In ihrem Gesicht spiegelt sich in einem Moment die Welt, und im nächsten Moment bleibt nur noch ein großes Geheimnis in ihrem Blick. Eine Besonderheit des Films ist die Gehörlosensprache - waren Sie vorher damit konfrontiert? Wie kam es zu dieser Idee? Im Rahmen meines Zivildienstes hatte ich immer wieder Kontakt mit Gehörlosen und bin seitdem fasziniert von dieser Art der Kommunikation. Es gibt Situationen, in denen Worte die Wahrheit eher vernebeln, der Wahrhaftigkeit von Gefühlen abträglich sind, weil sie eher den Kopf erreichen und einen daran hindern, wirk-lich hinzusehen. Der Kontrast von so ungeheurem Schmerz und der Unmöglichkeit, das verbal auszudrücken - das fand ich span-nend, und ich bin überzeugt, dass man dadurch gezwungen wird, viel klarer hinzusehen. Welche Relevanz hat die Geschichte für das Publikum heute, was erzählt sie uns? Wir leben in einer Welt der Globalisierung, und das gilt nicht nur für den Austausch von Gütern und Geld. Auch Phänomene wie Schuld und Sühne haben sich globalisiert. Wir hinterlassen Spuren – überall in der Welt - weit außerhalb von unserem eige-nen kleinen Kosmos. Durch unser Handeln oder nur dadurch, dass wir da sind. Und von überall nehmen wir auch etwas mit - ob wir wollen oder nicht. Oder es holt uns unvermittelt ein als Konsequenz dessen, was wir irgendwo auf der Welt verursacht haben. Und genau dann wird der Unterschied wichtig zwischen Recht und Gerechtigkeit. Das Interview führte Stefanie Röders Statement von Jan Josef Liefers. Wie ist es, für das deutsche Fernsehen vor der Kamera zu stehen? Worin bestehen die größten Unterschiede zu französischen oder internationalen Sets? Filmaufnahmen in Deutschland zu machen, ist etwas Besonderes für mich, weil ich hier meine ersten Filme gemacht habe: 'Maries Lied' von Niko Brucher und 'Jenseits der Stille' von Caroline Link. Der größte Unterschied besteht darin, dass ich neue Menschen treffe. Ihre Rolle ist eine besondere, weil es um eine Gehörlose geht. War dies beim Dreh eine außergewöhnliche Herausforderung? In 'Jenseits der Stille' verkörperte ich schon einmal eine Person, die nicht hören konnte. Damals lernte ich deutsche Gebärdensprache, und es war meine erste Begegnung mit Gehörlosen. Ich war also auf meine Rolle in 'Mörderische Stille' vorbereitet. Der Film wurde an der Nordsee gedreht. Sind Sie jemals zuvor dort gewesen? Kennen Sie die Küste oder den Drehort Wilhelmshaven? Ich war zum ersten Mal an der deutschen Nordsee und in Wilhelmshaven. Ich denke, es handelt sich im bestmöglichen Sinne um das Ende der Welt: Irgendwie fühlst du dich behütet, irgendwie in einer anderen Welt, und die Zeit vergeht dort in einem einzigartigen Rhythmus. Ein toter Mann im Hafen führt zu Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien. In welcher Weise sind diese Kriegsverbrechen für die Zuschauer von Relevanz, was sagen sie uns heute? Oh mein Gott, so viele Menschen sterben in so vielen Ländern, nur weil sie überleben wollen. Das macht mich unendlich traurig. Ich bin kein Anarchist, aber ich denke, wenn wir eines Tages alle politischen Führer in allen Ländern für eine Weile los wären, wären Menschen vielleicht weniger reich, aber sie hätten auch weniger Interesse am Kriegführen. Das Interview führte Stefanie Röders Statement von Peter Lohmeyer. Erst einmal war die Lust da, endlich 'mal mit Friedemann Fromm zusammen zu arbeiten. Und wenn man dann noch Geld dafür bekommt, dass man Hochseesegeln und Gebärdensprache lernen darf, dann kann man nicht Nein sagen. Ganz abgesehen von dem hervorragenden Drehbuch und sowieso den ganz wunderbaren Kollegen, die diese Reise in diese lautlose Welt auf See mitgemacht haben. Den Schluck Rum, den wir nach jedem anstrengend Drehtag an Bord genießen konnten, werde ich nie vergessen. Konnte ja nicht wissen, dass es dann doch so kalt wurde, als ich über Bord ging, und noch Wochen lang nachher mit einer Erkältung zu kämpfen hatte. Interview mit Produzentin Cornelia Wecker. Was ist für Sie das Außergewöhnliche an diesem Stoff, warum haben Sie ihn ausgewählt? Friedemann Fromm kam mit dieser Idee zu mir, von der ich auf Anhieb sofort begeistert und überzeugt war. Das Thema 'Schuld und Sühne', anders ausgedrückt 'was der Mensch sät, wird er ernten', betrifft uns in unserer globalisierten Welt viel unmittelbarer als früher und holt uns schneller ein. Zusätzlich hat Friedemann Fromm einen neuen Typ eines Ermittler erdacht, für Jan Josef Liefers geschrieben und durch ihn kongenial gespielt - sensibel, durchlässig, aber gleichzeitig von einem Panzer eingeschlossen, getrieben durch eine alte Schuld, sich dieser aber auch immer wieder stellend. Warum fiel für den Dreh am Meer die Entscheidung gerade auf Wilhelmshaven? Welche Vorzüge hat dieser Ort, speziell auch für diesen Dreh? Die Geschichte spielt in einer Hafenstadt, da sich in Wassernähe gerne spezielle Menschen ansiedeln - Menschen, die sich zurückziehen wollen, aber gleichzeitig die Möglichkeit haben, sofort mit einem Schiff in die unendliche Weite der Meere zu fliehen. Friedemann Fromm hatte sich beim Schreiben des Drehbuches für Wilhelmshaven entschieden, da die Menschen in dieser Stadt 'Fremden' gegenüber sehr aufgeschlossen sind, diese aber nicht bedrängen. Genau diese Stimmung ist auch für die Figuren der Geschichte wichtig. Und die Stadt- und Hafen-Architektur sind einmalig in ihrer Gradlinigkeit. Eine Wasserleiche, die auf die Spuren von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien führt - inwiefern sind diese Kriegsgeschehen interessant für das heutige Publikum, was erzählen sie uns? Die Kriegsverbrechen im Kosovo sind nicht mal 17 Jahre her und aus dem Gedächtnis getilgt, und immer weiter finden ähnliche Verbrechen an Frauen in den jetzigen Kriegsgebieten statt - ohne großes Interesse der Medien und dadurch auch ohne Kenntnis der Öffentlichkeit. Ich finde es wichtig, in einer fiktionalen Geschichte auf diese Problematik aufmerksam zu machen, ohne erhobenen Zeigefinger, um im besten Falle eine Diskussion anzustoßen. Mit Sylvie Testud spielt ein für das deutsche Fernsehen außergewöhnliches Gesicht in 'Mörderische Stille' - was prädestiniert Sylvie für diese Rolle, was bringt sie im Besonderen ein? Sylvie Testud spricht ja in ihrer Rolle kein einziges Wort, da sie eine Gehörlose spielt. Für mich ist es einzigartig, was sie nur mit ihrer Mimik und ihren Augen ausdrücken kann - Liebe, Hass, Verzweiflung, Einsamkeit, Glück. Alle Emotionen sind sofort dank ihrer Ausdruckskraft erkennbar, ohne unterstützende Sprache - einfach grandiose Schauspielkunst. Das Interview führte Stefanie Röders Weitere Informationen.
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April 2019
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